Das Jahr 1996 begann mit zwei interessanten Viren: Boza, dem erste Virus für Windows 95, und einer Epidemie, die durch den Schädling Zhengxi ausgelöst wurde, einem polymorphen Virus des russischen Programmierers Denis Petrovym aus Sankt Petersburg.

Im März 1996 passierte ein erster Virenausbruch für Windows 3.x, ausgelöst durch Win.Tentacle. Dieser Virus infizierte Krankenhauscomputer und die Rechner anderer Einrichtungen in Frankreich. Er war der erste Windows-Virus, der „in the wild“ entdeckt wurde. Bis dahin waren alle Windows-Viren in Sammlungen zu finden, oder waren Teil der elektronischen Tagebücher von Virenautoren. Vor Win.Tentacle existierten nur Boot-Sektor-, DOS- und Macro-Viren in freier Wildbahn.

Im Juni tauchte der Virus OS2.AEP, der erste Virus, der EXE-Dateien unter dem Betriebssystem OS/2 infizierte. Bis dahin schrieben sich Viren an den Ort der Datei, zerstörten diese oder nutzten die so genannte Companion-Technik.

Im Juli wurde Laroux, der erste Excel-Virus, fast gleichzeitig bei zwei Ölbohrfirmen in Alaska und Südafrika entdeckt. Wie auch Word-Viren, basierte die schädliche Ladung von Laroux auf Macros, kleinen Programmen in Visual Basic. Diese Programme konnten in Excel-Tabellen oder Word-Dokumente eingefügt werden. Es stellte sich heraus, dass es das in Excel eingebaute Visual Basic auch erlaubte, Viren zu schreiben. Und Laroux löste im April 1997 auch eine Epidemie unter moskauer Firmen aus.
Im Spätsommer wurden fast gleichzeitig die Viren Nightmare Joker und Wild Worker sowie die Macro-Virus-Kits Word Macro Virus Construction Kit und Macro Virus Development Kit veröffentlicht. Die beiden Tools konnten unter der englischen und deutschen Version von Word verwendet werden.
Mitte Oktober wurde Microsoft von einem weiteren Sicherheitsvorfall gebeutelt: Der Wazzu-Virus wurde in einem Word-Dokument auf der Support-Webseite des Unternehmens in der Schweiz entdeckt. Später fand man den Virus auch auf einer CD, die von der Firma bei der Orbit Computer Technology Exhibition in Basel verteilt wurde. Doch damit endeten die Probleme Microsofts mit dem Wazzu-Virus noch nicht, denn im September schaffte es der Virus auf die CDs für Microsoft Solution Provider. Im Dezember schließlich tauchte noch der erste speicherresidente Windows-95-Virus auf, der sich wie ein VxD-Treiber ins System lud, Aufrufe unterbrach und diese infizierte.

1996 kann insgesamt als Startpunkt weitverbreiteter Angriffe durch den Computer-Underground gegen Windows 95 und Windows NT sowie Programme wie Microsoft Office angesehen werden. In den Jahren 1996 und 1997 tauchten Dutzende Viren für Windows 95/NT und mehrere Hundert Macro-Viren auf. Viele davon nutzten komplett neue Techniken und innovative Methoden, etwa Stealth-Fähigkeiten und Polymorphismus. Konsequenterweise erreichten Computerviren eine neue Evolutionsstufe und zielten nun auf 32-Bit-Betriebssysteme ab. Sie folgten aber der gleichen Entwicklung wie DOS-Viren zehn Jahre vorher. Und auch die Antivirus-Landschaft veränderte sich enorm. Gegen Ende des Jahres wurde Cheyenne Software, der Entwickler des Antivirus-Programms InocuLAN, von Computer Associates aufgekauft.